*Rezension* Als die Welt stehenblieb

Als die Welt stehenblieb von Maja Lunde

erschienen bei btb

Zum Inhalt

Sie sind eine fünfköpfige Familie. Die Erwachsenen haben sich gerade gestritten, als die Nachricht vom Lockdown eintrifft: Von nun an werden sie zu Hause sein. Alle zusammen. Jeden Tag. Die Autorin Maja Lunde ist daran gewöhnt. Sie ist das Home Office gewöhnt. Aber nicht das Home Schooling. Sie hat große dystopische Romane geschrieben, aber sie hat nie in einer Dystopie gelebt. Doch jetzt ist die Pandemie da und die Familie muss eine neue Lebensweise finden. Wie geht so etwas?

(Quelle: Verlag)

Zum Buch

Dieses Buch war für mich etwas Außergewöhnliches, genau wie die Krisenzeit, in der wir gerade leben. Maja Lunde schildert die Tage zwischen dem 11. und 29. März 2020 – ungefiltert und schonungslos. Der Schreibstil erinnert von der Form her an eine Protokollführung, was ich passend fand.

Maja Lunde lebt mit ihrer Familie in Norwegen. Der plötzliche Corona-Ausbruch und der damit verbundene Lockdown macht ihr Sorgen und verlangt ihr einiges ab. Der Geburtstag ihrer Mutter steht an, der natürlich gefeiert werden soll. Doch wie macht man das in dieser Zeit? Wie bewerkstelligen wir das mit den Umarmungen? Darf man überhaupt feiern?

Zudem gehören ihre Eltern zur Risiko-Gruppe, was selbstverständlich auch zu Sorgen führt. Alles, was normal und einfach war, ist von einem auf den anderen Tag schwierig und vielleicht gar nicht mehr möglich. Was macht diese Umstellung mit einem? Wie reagieren die einzelnen Familienmitglieder, wenn sie die ganze Zeit zuhause verbringen, ein Treffen mit Freunden so gut wie unmöglich geworden ist?

Viele Fragen, in denen ich mich selbst wiedergefunden habe. Denn auch ich habe Kinder, die plötzlich zu einem Home-Schooling verdammt wurden, das anfangs mehr schlecht als recht lief. Nicht, weil meine Kids keinen Bock hatten, sondern weil natürlich die Schule in keinster Weise auf so eine Ausnahmesituation vorbereitet war und die technischen Möglichkeiten nicht überall gegeben waren. Das sorgte für Unzufriedenheit und Chaos – und wie man an diesem Buch sieht, erging es auch Maja Lunde so. Sie hat drei Kinder im Alter zwischen neun und fünfzehn Jahren. Das ist einfach eine Herausforderung, die uns als Mensch und gerade auch als Eltern einiges abverlangt hat. Die Autorin zeigt hier ganz offen ihre Gefühlsausbrüche und dass auch sie nur ein Mensch ist. Ein Mensch, der sich Sorgen um die Zukunft macht, den unendlich viele Fragen quälen und der manchmal mit der Situation nur schwer umgehen kann.

Hör mal, die Amsel, die singt wie immer, obwohl alles anders ist.

Seite 23

Auf der anderen Seite ist Maja Lunde schon fast süchtig nach Nachrichten – man muss ja informiert werden. Sie sieht, dass das Virus die ganze Welt im Griff hat, dass Beschränkungen überall stattfinden und dass sich in allen Teilen der Welt die Menschen anstecken. Sie verfolgt die äußerst dramatische Lage in Italien, die einem nicht nur damals die Tränen in die Augen trieb. Sie macht sich große Gedanken um die Ansteckungsherde und sieht viele Dinge mit anderen Augen, befürchtet überall Gefahren. Dazu kommen noch die „normalen“ Sorgen, die selbstverständlich auch in der Corona-Zeit keinen Halt vor uns machen. Eine wahnsinnige Belastung in allen Bereichen.

Maja Lunde hat die Anfangszeit der Pandemie schonungslos geschildert – mit all ihren Gedanken, Sorgen und Ängsten. Ich fand das Buch einerseits sehr emotionslos geschrieben, vielleicht auch deshalb, weil die Autorin ihre Familie nur mit „der Jüngste“, „mein Mann“ oder „meine Mutter“ betitelte. Fand ich zwar passend in dieser Form, aber es schaffte auch einen gewissen Abstand zwischen Leser und Geschichte. In vielen Gedanken und Sorgen habe ich mich wiedergefunden, was mich einerseits wirklich beruhigte. Andererseits ist es erschreckend, einen solchen Bericht zu lesen, wobei wir noch mitten in der Pandemie stecken und sie nicht schon – wie gehofft – vorbei ist. Es ist kein Buch, mit dem man sich gemütlich auf die Couch verzieht und seine Lesezeit genießt – ist es bei Erfahrungsberichten ja wohl nie. Dieses Buch zu bewerten fällt mir sehr schwer, denn wie kann ich hier sagen: Wow, tolles Buch!? Nüchtern betrachtet ist es das trotzdem, auf eine andere Art und Weise. Ich fand es beeindruckend, dass sich eine Autorin, die sonst eher Dystopien schreibt als in einer zu leben, jetzt ihre Gedanken und ihren Tagesablauf offen schildert. Zugibt, dass sie nicht immer ruhig geblieben ist beim Home-Schooling und somit zeigt, dass sie genau wie Millionen anderer Menschen auf der ganzen Welt einfach Angst hat. Angst vor Ansteckung, Angst um ihre Liebsten und auch Angst vor der Zukunft. Dieses Buch endet natürlich mittendrin, an einem Tag, an dem keiner wusste, wie lange uns Corona noch in Atem halten wird. Daher ist es ein ganz merkwürdiges Gefühl gewesen, diesen Bericht zu lesen, der sich zur Anfangszeit der Krise abgespielt hat. Jetzt, noch Monate später ist weiterhin kein Ende abzusehen, die Menschen haben nur teilweise dazugelernt und die Situation ist ein absoluter Ausnahmezustand. Dieses Buch gibt also keine Hoffnung am Ende – denn wir stecken noch mittendrin …

Wie können wir, als soziale Tiere, die abhängig sind vom Körperkontakt, von den Körpern der anderen, damit leben, dass die Berührung eines anderen Menschen gleichbedeutend damit geworden ist, ihn zu kontaminieren?

Seite 72

Zum Autor

Maja Lunde wurde 1975 in Oslo geboren, wo sie auch heute noch mit ihrer Familie lebt. Ihr Roman „Die Geschichte der Bienen“ wurde mit dem norwegischen Buchhändlerpreis ausgezeichnet und sorgte auch international für Furore. Das Buch wurde in 30 Länder verkauft, stand monatelang auf Platz 1 der Spiegel-Bestsellerliste und war der meistverkaufte Roman 2017. Zuletzt erschien der dritte Teil ihres literarischen Klimaquartetts, „Die Letzten ihrer Art“.

WERBUNG
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224 Seiten

übersetzt von Ursel Allenstein

ISBN 978-3-4427-7097-7

Preis: 16 Euro

erschienen bei https://www.randomhouse.de/Verlag/btb/2000.rhd

Leseprobe https://www.randomhouse.de/Als-die-Welt-stehen-blieb-von-Maja-Lunde/aid86585.rhd#Leseprobe

© Cover und Zitatrechte liegen beim Verlag

© Foto: Claudias Bücherhöhle

An dieser Stelle möchte ich mich noch recht herzlich beim Verlag für die Bereitstellung dieses Exemplars bedanken!

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